CCC N°5

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X-ray pics, cut and riveted, brass, copper tubes, wheels, 2,20 m x 2,20 m x 0,60 m

Eva Brenner & klangMANUfaktur

Einführungsrede
von Dr. Sabine Richter anlässlich der Uraufführung von „Coco Corona Chanel N°5“
am 01.04.2022 zur Eröffnung der Popup-Galerie … and art.

Mit dem Titel der Performance spielt Eva Brenner auf die Zeitspanne der Entstehung und auf ein Modelabel an (die Modeschöpferin Coco Chanel war ab 1913 Wegbereiterin einer revolutionären Damenmode) und – das scheint mir besonders relevant – auf einen Duft, etwas Flüchtiges, das wir erinnern und wieder erkennen, aber nicht festhalten können.

Eva Brenner hat das Schneiderhandwerk von der Pike auf gelernt und konnte an der Modeschule in München und später als Kostümbildnerin und Gewandmeisterin am Theater Erlangen ihre Faszination für besondere Stoffe, Materialien und Schnitte weiterentwickeln.

Im Studium an der Kunstakademie, erst in der Textilklasse und später durch das Kunststudium bei Otmar Hörl kamen neue Facetten dazu. Obwohl ihre künstlerischen Arbeiten konzeptueller wurden, ist sie keine Konzeptkünstlerin, denn das intuitive Entstehen ihrer Arbeiten ist ihr ebenso wichtig wie die formal-ästhetischen Anmutung ihrer Gebilde.

Eva Brenner lässt sich in ihrem vielschichtigen Interesse nicht auf klassische Bereiche wie Malerei – Skulptur – Kostüm festlegen. Sie oszilliert in ihren Arbeiten, die sie in bühnenähnlichen Inszenierungen zum Leben erweckt zwischen visuell Erlebbarem und haptisch Erfahrbarem. Sie verknüpft Materialien ebenso wie die Sparten und Ausdrucksformen: Objekt – Farbe – Klang – Bewegung – Haptik – Geräusch zu einem sinnenreichen Ereignis.

Wie kann man beschreiben, was Sie in der Performance erleben?
Im Mittelpunkt steht eine neu entstandene plastische Arbeit, konzipiert von Eva Brenner, mit der sie an frühere Projekte im wahrsten Sinne des Worte anknüpft. Aus unzähligen Röntgenbildern stellte sie für eine ihrer letzten Arbeiten wie auf den Leib geschneiderte Torsi her. Dabei entfernte sie die Folienstücke mit den Namen der Patienten. Diese nutzt sie nun als Material für ein bewegliches Gebilde, für das mir die etwas altertümliche Bezeichnung Gewirk passend erscheint. Ein loses und doch in klarer Struktur verbundenes textiles Gewebe, eingespannt – oder besser gesagt – verankert in einem fahrbaren Rahmen aus speziell behandelten Kupferrohren, die über einen längeren Zeitraum mit Zitronensäure beträufelt wurden und so kontinuierlich oxidieren.

Es ist der Wunsch der Künstlerin, diese Gebilde nicht isoliert zu präsentieren, sondern in einen neuen Zusammenhang zu bringen und in Bewegung zu versetzen. Sie verwandelt es auf diese Weise in eine Art Instrument (griechisch organon), indem sie es zum „Bespielen“ freigibt.

In der Tänzerin Manu und dem Musiker Alex DocDorsch findet sie kongeniale Partner. Die Klänge des eigenwilligen Instruments, das – wie der Instrumentenbauer selbst sagt– einiger Bändigung bedarf, versetzen den Raum in Schwingungen besonderer Qualität, auf die Manu mit minimalen Bewegungen und Gesten reagiert, die wiederum das plastische Gebilde mit Licht bespielen.

Verknüpfen
Das Verknüpfen und Verbinden, diese uralte textile Technik wird bei Eva Brenner zu einem Lebenskonzept: sie ist Komponistin nicht nur ihrer bildnerischen Kompositionen, sondern einer Art Orchestrierung ihrer Arbeit im Zusammenspiel mit den Akteuren durch Klang, Bewegungen und Licht.

Dazu befähigt Eva Brenner nicht nur ihre starke Erlebnisfähigkeit – als Musikliebhaberin und passionierte Konzertbesucher zeitgenössischer Musik – sondern auch eine offene Haltung, mit der sie sich und ihre Arbeit dem zeitlichen Geschehen überlässt. So wird Skulptur ereignishaft wie die Musik selbst, einzigartig in jedem Moment anders, immateriell und nicht wiederholbar.

Transformation
Was nun passiert, lässt sich nicht beschreiben, aber ich möchte Sie aufmerksam machen auf ein akustisch-visuelles Erlebnis, bei dem Hören und Sehen einen Dialog eingehen und in dem eine Verwandlung beginnt, eine Transformation. Dabei braucht dieses Geschehen, das ebenso opulent wie reduziert ist, keine Erzählung. Die Spiegelungen und Reflexionen des Lichts auf dem textilen Gebilde korrespondieren mit den Intervallen und Klängen des Steelcello und transponieren es in einen mehrdimensional lesbaren Körper.

Am Ende wird es nicht mehr das Gleiche wie vorher sein. Auch wir sind danach nicht mehr die Gleichen wie vorher.

Dr. Sabine Richter
Lehrstuhl für Kunstpädagogik
Philosophische Fakultät
FAU Erlangen-Nürnberg
Dutzendteichstr. 24
D-90478 Nürnberg